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„Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung.“ (Art. 5 GG)

Besuch von einem, für den dieses Grundrecht zum Verhängnis wurde.
Radikale am BBZ? Wie man`s nimmt. Als Werner Siebler im März 2022 im Geschichtskurs von Frau Oppel erschien, sah er zunächst `mal gar nicht nach einem Radikalen aus: Ein freundlicher Rentner aus Freiburg, der viel berichten konnte aus der heißen Phase des „Kalten Krieges“.

Zeitzeuge März2022

Er, der ursprünglich Pfarrer werden wollte, wurde durch die Berichterstattung über den Vietnamkrieg politisiert. Dass die Amerikaner im Namen der Freiheit Massenvernichtungswaffen gegen ein Volk von Bauern einsetzten, ließ ihn nach politischen Alternativen suchen. Zusätzlich beschäftigte ihn die Tatsache, dass die Erfahrung des Nationalsozialismus im damaligen Deutschland kaum aufgearbeitet wurde. So kam er zur DKP, der Deutschen Kommunistischen Partei.   
„Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit.“ Der Artikel 21 des Grundgesetzes stellt Parteien ausdrücklich unter den Schutz der Verfassung. Dennoch bewertete das Innenministerium die DKP als staatsgefährdend, weil sie sich

 

am Kommunismus orientierte. Für Werner Siebler bedeutete dies, dass er, der seit 1970 bei der Post arbeitete, im Jahr 1984 ein „Berufsverbot“ bekam: Es war ihm fortan untersagt, als Postbote zu arbeiten.
Mit dem Grundgesetz in der Hand versuchte er, gegen das Berufsverbot zu klagen. „Ich hatte viele Unterstützer*innen; nicht nur aus Freiburg, sondern sogar aus dem Ausland“ berichtete der zu dieser Zeit wohl bekannteste Briefträger Deutschlands den Schüler*innen des Geschichtskurses. Doch er hatte keinen Erfolg. Was ihn stutzig machte: Bis auf eine Ausnahme hatten alle Richter, die in seinem Verfahren tätig waren, im Nationalsozialismus Karriere gemacht.

Werner Siebler arbeitete anschließend als LKW-Fahrer, war aber auch eine Zeitlang arbeitslos, bevor er Anfang der 90er Jahre nach einer gerichtlichen Entscheidung wieder eingestellt werden musste.
50 Jahre ist die Einführung des sogenannten „Radikalenerlasses“ mittlerweile her, die Folgen aber wirken bis heute nach: So muss Siebler spürbare Einschnitte in seiner Rente verkraften, weil er nicht durchgängig als verbeamteter Postbote arbeiten durfte.

Für Siebler war es der erste Besuch an einer Schule. Der Kurs war sich nach seinem Besuch einig: Die Premiere ist gelungen – vielen Dank für den interessanten Vortrag und die Beantwortung der vielen Fragen im Anschluss!