Klettern integrativ: Die Stegener Kraxler

Mit und ohne Hörschädigung an der Kletterwand

P1040185Regelmäßig treffen sich unter Leitung von Ulrike Breuer, Luise Laakmann und Johanna Schätzle Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis achtzehn Jahre in unserer Kletterhalle.

Es ist keine gewöhnliche Jugendklettergruppe. Die Verständigung zwischen Kindern und Jugendlichen, mit oder ohne Hörschädigung,läuft über Laut- und Gebärdensprache.
Ins Leben gerufen wurden die Stegener Kraxler von einem ehemaligen Schüler des BBZ Stegen und Ulrike Breuer, Erzieherin dort. Das BBZ Stegen ist eine überregionale Schule für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche mit angeschlossenem Internat. Dort können sie an sportlichen Aktivitäten ihrer Wahl teilnehmen, eine davon ist seit 2014 auch das Klettern in der DAV Kletterhalle in Kooperation mit dem JDAV. So klettern Kinder und Jugendliche mit und ohne Hörschädigung in einer integrativen Klettergruppe mit großem Spaß seit sechs Jahren regelmäßigzusammen.
Im Vordergrund des Klettertrainings steht nicht die Kletterleistung,sondern die besondere Herausforderung sozialer Kompetenzen: Toleranz und Respekt vor der Individualität jedes Einzelnen und die Rücksichtnahme der Gruppe auf beispielsweise zusätzliche Behinderungen des Bewegungsapparates, Gleichgewichtssinn oder muskulärer Probleme. Einige Gruppenmitglieder tragen ein CI „Cochlea Implantat“, das sie manchmal während des Klettertrainings ausziehen müssen, damit es nicht beschädigt wird. Die Kinder und Jugendlichen, die eine Hörschädigung haben, benötigen während des Klettertrainings zur Unterstützung Gebärdensprache, die von den Schülern des BBZ und von Ulrike Breuer eingesetzt wird. Die Gebärden werden von der gesamten Jugendgruppe aufgegriffen. So werden innerhalb der Gruppe eigene Gebärdensprachregeln ausgedacht und festgelegt. Das regt die Kreativität an, macht den Kids Spaß und es werden neue Gebärden erfunden.
Oft kennen sich die SchülerInnen aus dem BBZ Stegen untereinander und können sich gut einschätzen. Die anderen Teilnehmer in der Klettergruppe jedoch nicht, und es ist eine neue Herausforderung für alle. Insbesondere die Kommunikation untereinander ist ein großes Lernfeld. Für die Hörgeschädigten heißt das, sich sprachlich in der Gruppe mitzuteilen und nachzufragen, wenn sie etwas nicht gehört haben. Für alle anderen ohne Hörbehinderung ist es eine neue Erfahrung darauf zu achten, dass sie ihr Mundbild zeigen, deutlich sprechen und leichte Gebärden benutzen. Zum Beispiel: Nickt der Sichernde mit dem Kopf heißt das, er hat das Sicherungsgerät zugemacht und der Kletterer kann sich ins Seil setzen. Für die Jugendleiter heißt das, der Gruppe Spiel - und Spaßcharakter zu vermitteln und dennoch in besonderem Maße auf Wünsche und Bedürfnisse aller Teilnehmer einzugehen. Alle Jugendleiter achten immer wieder neu darauf, ob sich jeder mit seinem Kletterpartner wohl fühlt und die Kommunikation auch klappt. Rückmeldungen sind hier besonders wichtig, damit die Kinder sich gegenseitig richtig verstehen und vertrauen können.
Am Schluss von jeder Gruppenstunde gibt es eine Abschlussrunde, in der jeder seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche äußern kann. Die Grenzen des Einzelnen können besprochen und die Überwindung neuer Kletterhürden und Ängste ausgetauscht werden. So entstehen neue Motivation, Mut und Vertrauen untereinander. Auch gemeinsames Backen, Kochen, Picknicken und Spiele im Garten stehen regelmäßig auf dem Programm.
Es ist immer wieder aufs Neue spannend zu sehen, welche witzigen Gebärden in der Gruppe entstehen, wie die Kommunikation optimiert wird und wie trotz der Einschränkungen eine fünf plus Route geklettert wird, ohne im Seil zu verharren. Es ist großartig, als Jugendleiter im Seil neben den Jugendlichen zu hängen, Mut zuzusprechen und zu versichern, dass sie es weiter schaffen. Zu beobachten, wie die Jugendlichen Ängste überwinden und mit einem großen Lächeln und Stolz im Gesicht beim Abseilen auf dem Boden ankommen.

Johanna Schätzle

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